DIE DEMOKRATISIERUNG DER CARE-ARBEIT
Johanna Brenner

 

Auszug. Eine ungekürzte Fassung des englischen Textes finden Sie auf der Webseite von Verso.
Ursprünglich veröffentlicht in:
Gender Equality. Transforming Family Divisions of Labor, Hrsg: Janet C. Gornick und Marcia K. Meyers, Verso 2009

Die Demokratisierung der Care-Arbeit

Solange wir von einer Utopie sprechen, könnten wir in Erwägung ziehen, über den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat und den Familienhaushalt als den wichtigsten Institutionen für die Organisation von Care-Arbeit hinauszugehen. In Anbetracht der Tatsache, dass Vorschläge für ein System, das dem nordischen Wohlfahrtsstaat ähneln würde, im gegenwärtigen politischen Klima der USA bereits außer Diskussion stehen, könnte die Vorstellung eines noch radikaleren Wandels den Anschein erwecken, dass wir uns damit weit außerhalb der Grenzen eines Projekts einer „echten Utopie“ bewegen. Sicherlich sind die von Gornick und Meyers vorgeschlagenen Reformen wichtig und sollten unterstützt werden. Ich möchte jedoch dafür plädieren, weiter zu gehen und die Organisation der Care-Arbeit über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu sozialisieren und zu demokratisieren. Am weitesten entwickelt sind sozialdemokratische Wohlfahrtsstaatsprogramme, in denen es darum geht, dafür zu sorgen, dass der Familienhaushalt funktioniert. Dazu wird die öffentliche Verantwortung für die frühkindliche Erziehung und Betreuung ausgeweitet (und die Eltern werden davon befreit, diese Arbeit vollständig selbst tragen zu müssen) und die Elternschaft, insbesondere in den ersten Lebensjahren, subventioniert, so dass sich die Eltern vorübergehend aus dem Erwerbsleben zurückziehen können. Kürzere Wochenarbeitszeiten, wie sie Gornick und Meyer vorschlagen, verschaffen Eltern mehr Zeit für die alltäglichen Betreuungsaufgaben in den Jahren, in denen ihre Kinder aufwachsen. Diese Programme dienen dazu, die Belastungen im Haushalt zu reduzieren und die verbleibenden so umzuverteilen, dass Männer und Frauen für die noch anfallenden Arbeiten gleichermaßen Verantwortung übernehmen können.

Obwohl diese Maßnahmen einen Teil der Verantwortung für Care-Arbeit sozialisieren, bleibt der Familienhaushalt als zentrale Institution für die Organisation von Care-Arbeit bestehen. Bei der Care-Arbeit auf den Familienhaushalt zu setzen, führt zu einer Beschränkung der Möglichkeiten, mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, und untergräbt die gesellschaftliche Solidarität, insbesondere unter Bedingungen relativer Knappheit. Auch wenn es sicherlich möglich ist, für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie z. B. bezahlten Elternurlaub, mehr politische Unterstützung zu finden als bisher, würde ich darauf wetten, dass nennenswerte Fortschritte in diesem Bereich breite und engagierte soziale Bewegungen erfordern. Unter diesen Umständen sollten wir mit praktikablen Alternativen aufwarten, die die Menschen anregen und motivieren, sich derartigen Bewegungen anzuschließen und die Möglichkeiten für radikale Reformen, die sie eröffnen, zu nutzen.

Ich schlage zwei Strategien vor, um sich durch die Sozialisierung der Verantwortung für Care-Arbeit und die Demokratisierung von Institutionen, die diese bereitstellen, über das System von Familie/Haushalt und den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat hinauszubewegen. Zunächst untersuche ich Cohousing-Gemeinschaften – eine stärker kollektiv ausgerichtete Wohnform, durch die die Gruppe von Menschen, die sich Care-Arbeit teilen, größer und demokratischer wird. Dann widme ich mich demokratischen und partizipatorischen Formen der Organisation öffentlicher Dienstleistungen und überlege, wie diese sowohl die Care-Arbeiter*innen als auch jene, die von ihrer Betreuung abhängig sind (z. B. Eltern kleiner Kinder, Familien älterer Menschen, ältere Menschen selbst), in Beziehungen einbinden können, in denen die Steuerung gemeinsam erfolgt.

Cohousing: Eine realistische Alternative zum Familienhaushalt

Selbst Familien mit zwei Elternteilen haben Probleme, Geschlechtergleichheit zu erreichen, weil die Belastung für den Haushalt nach wie vor recht hoch ist. Kürzere Wochenarbeitszeiten sind zwar hilfreich, reichen aber nicht aus, um die Arbeitslast zu bewältigen. Die Anforderungen der Marktarbeit und die zur Durchführung der Care-Arbeit im Haushalt erforderliche Zeit lassen sich zwangsläufig schlecht miteinander vereinbaren. (Würden wir die Pflege älterer Menschen in diese Diskussion einbeziehen, wäre die zeitliche Belastung der Familien sogar noch größer). Aus all den uns bereits bekannten Gründen übernehmen Frauen diese Arbeit viel häufiger als Männer. Selbst in Schweden, dem Land, in dem die vorgeschlagenen Reformen am weitesten fortgeschritten sind, müssen Familien immer noch ein hohes Maß an Betreuungsarbeit leisten; Frauen gehen viel häufiger als Männer einer Teilzeitbeschäftigung nach, und die geschlechtsspezifische Aufteilung nach Berufen und Sektoren ist nach wie vor sehr groß. Sicherlich ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Schweden viel niedriger als in den USA. Da Frauen jedoch viel häufiger Teilzeit arbeiten, sind die Gesamteinkommen der schwedischen Frauen niedriger, und die Unterschiede im Zeitaufwand, den Väter und Mütter mit Care- statt Lohnarbeit verbringen, sind nach wie vor recht groß. Auch wenn alleinerziehende Mütter in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten nicht in bitterer Armut landen, ist das Aufziehen von Kindern allein so schwierig, dass es sich zwangsläufig auf die Entscheidung von Müttern auswirkt, in einer Beziehung zu bleiben.

Cohousing ist vielversprechend, weil Erwachsene sich die Care-Arbeit in wechselseitigen Beziehungen in einer großen Gruppe von Menschen teilen. Cohousing vereint individuelle Wohneinheiten mit zentralen Gemeinschaftsräumen. Die Wohnungen sind so konzipiert, dass sie ein Höchstmaß an sozialer Interaktion ermöglichen, zugleich aber die Privatsphäre des Einzelnen schützen. Von den Cohousing-Mitgliedern wird erwartet, dass sie sich die Verantwortung für die Organisation des Gemeinschaftslebens teilen, in Ausschüssen mitarbeiten und an der Entscheidungsfindung mitwirken. Außerdem wird erwartet, dass sie an gemeinschaftlichen Mahlzeiten teilnehmen, wobei die Art und Weise, wie dies organisiert wird, die Häufigkeit der Zusammenkünfte und die Intensität der erwarteten Beteiligung von Gemeinschaft zu Gemeinschaft unterschiedlich sind. Das Herzstück des Cohousing ist ein großer, gemütlicher Bereich, der der gesamten Gemeinschaft für Mahlzeiten und geselliges Beisammensein zur Verfügung steht. Das Gemeinschaftshaus kann neben einem Esszimmer und einer Küche auch einen Raum für Kinder, eine Bibliothek, einen Freizeitraum, Versammlungsräume, eine Werkstatt, ein Büro, gemeinsame Waschküchen und Gästeunterkünfte umfassen (so dass die einzelnen Wohneinheiten relativ klein bleiben können, weil Besuch in den Gemeinschaftsräumen übernachten kann).

Studien zu Cohousing-Gemeinschaften zeigen, dass die Beteiligung an Aktivitäten in der Nachbarschaft und das Ausmaß der gegenseitigen Hilfeleistung wesentlich höher ist als in der vorherigen Wohnsituation der Bewohner*innen. Cohousing scheint vor allem für Haushalte mit Kindern von Vorteil zu sein, da die Eltern (ob alleinstehend oder verheiratet) bei der Bewältigung ihrer Betreuungsaufgaben auf erweiterte Ressourcen zurückgreifen können – integrierte Kinderbetreuung, Hilfe bei erkrankten Kindern oder Erwachsenen usw. Für die Mitglieder der Gemeinschaft ist es kein Problem, Beziehungen zu den dort lebenden Kindern aufzubauen, wenn sie dies wünschen, und dies scheint auch zu geschehen – obwohl es im Allgemeinen keine Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist. Alleinerziehende profitieren besonders stark, nicht nur, weil es mehr Erwachsene gibt, die bei der Betreuung der Kinder helfen können, sondern auch, weil durch die gemeinsame Nutzung von Werkzeugen und Gemeinschaftseinrichtungen (wie Waschküchen) die individuellen Ausgaben für langlebige Konsumgüter reduziert und ansonsten unerschwingliche Ressourcen – z. B. Sporträume oder Büroausstattung – verfügbar werden.

Aktuell stammen die Mitglieder der Cohousing-Bewegung in den USA aus der Mittelschicht und sind sogar relativ wohlhabend. Cohousing ist jedoch nicht zwangsläufig ein Privileg der Mittelschicht. Auch in Dänemark handelte es sich zunächst um eine Mittelschichtsbewegung, und alle, die Cohousing-Gemeinschaften gründen wollten, stießen bei Finanzinstituten und Regierung auf Skepsis. Durch das 1981 verabschiedete Gesetz zu Wohnungsbaugenossenschaften wurde die Finanzierung von Cohousing-Projekten einfacher und kostengünstiger. Mittlerweile genießt das Cohousing-Konzept in Dänemark breite Unterstützung und, was noch wichtiger ist, dank staatlicher Programme ist es preiswerter und auch für Haushalte mit geringerem Einkommen erschwinglich geworden. 1994 gab es in Dänemark bereits zehn Cohousing-Mietergemeinschaften, die durch staatlich geförderte Darlehen finanziert wurden.

Die Kreditvergabevorschriften der Banken sind ein großes Hindernis für die Kombination von Miet- und Eigentumswohnungen, ließen sich aber durch staatliche Subventionen und alternative Finanzierungsquellen überwinden. Diese Initiativen zeigen, dass es möglich ist, Cohousing in die gemeinnützige kommunale Entwicklung und sogar in öffentliche Wohnungsbauprogramme einzubinden. Aktuell wird der Erwerb von Einfamilienhäusern durch staatliche Programme gefördert, die von kommunalen Wohnungsbaubehörden, gemeinnützigen Organisationen für die kommunale Entwicklung und nationalen Organisationen verwaltet werden. Cohousing-Experimente könnten durch öffentliche Programme und öffentliche Subventionen von diesen Institutionen gefördert werden, anstatt nur denjenigen zur Verfügung zu stehen, die das nötige Geld haben, um die erheblichen privaten Investitionen zu tätigen, die für die Realisierung von Cohousing-Projekten erforderlich sind.

Cohousing scheint viele positive Aspekte früherer Kommunen zu vereinen, vermeidet jedoch die erzwungene Nähe und die fehlende Privatsphäre, die zu den Hauptursachen für destruktive Konflikte zu gehören scheinen. Auch in Cohousing-Gemeinschaften gibt es Konflikte, aber im Laufe der Zeit hat die Cohousing-Bewegung auf der Grundlage umfassender Experimente und Erfahrungen mit Konsensprozessen in den Jahrzehnten zuvor Führungsstrukturen und Entscheidungspraktiken entwickelt, die durchaus praktikabel zu sein scheinen. Voraussetzung für das gemeinschaftliche Zusammenleben und kollektive Entscheidungsprozesse ist die Entwicklung verschiedener persönlicher Kompetenzen. Diese zu erlernen, ist Teil der allgemeinen Kultur der Cohousing-Bewegung geworden.

Cohousing interessiert mich vor allem deshalb, weil es ein hohes Maß an demokratischer Teilhabe, individuelle Fähigkeiten zur Deliberation und innovative Strukturen erfordert und hervorbringt, die die Grundlage für eine breitere demokratische Gemeinschaft bilden. Natürlich können Cohousing-Gruppen, wenn sie sich selbst überlassen sind, partikularistisch und isoliert sein. Als Teil einer breiteren Bewegung für sozialen Wandel bieten sie jedoch nicht nur ein Modell für kollektives Engagement bei der Care-Arbeit für uns selbst und andere, sondern auch die engen sozialen Netzwerke, die die Grundlage für politische Projekte an der Basis bilden (man denke nur daran, wie die ausgedehnten, auf Gegenseitigkeit und geteilter Arbeit beruhenden nachbarschaftlichen Beziehungen von Frauen in der Vergangenheit den Boden bereitet haben für viele verschiedene gemeinschaftsbasierte Bewegungen). Der Gemeinschaftsgeist, der dem Cohousing zugrundeliegt, ließe sich auch für den Aufbau einer Bewegung für eine allgemeine öffentliche frühkindliche Bildung und Betreuung mobilisieren. (Ein Beispiel, in dem Wohngemeinschaften der Katalysator für eine lokale Bewegung für Umweltgerechtigkeit waren, findet sich bei Wann, 2005).

Tatsächliche Partizipation an politischen Entscheidungen im staatlichen Sektor

Welche Modelle gibt es, wenn überhaupt, für diese Art von Dienstleistungen? Und welche Belege gibt es dafür, dass die Umgestaltung öffentlicher Dienste im Hinblick auf eine gemeinsame Steuerung funktionieren kann? Welche Schwierigkeiten gibt es, und wie könnte man sie angehen? Im Jahr 2000 befasste sich die Konferenz „Real Utopias“ im Rahmen einer Diskussion über Empowered Participatory Governance mit diesen Fragen. Die Komplexität der Organisation und des Managements dieser Form von Bürgerbeteiligung innerhalb des Staates würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Sie wird in dem in Deepening Democracy, dem von der Konferenz herausgegebenen Band, sehr gut und ausführlich untersucht. Ungeachtet dieser Komplexität ist das Buch ein starkes Plädoyer dafür, dass eine tatsächliche Bürgerbeteiligung funktionieren kann.

In einer Fallstudie über die Reform öffentlicher Schulen in Chicago, bei der die Entscheidungsprozesse an den Schulstandort verlagert wurden, wo Eltern, Lehrkräfte und Verwaltung bei der Politikgestaltung zusammenarbeiteten, zeigt Archon Fung (Archon Fung und Erik Olin Wright, 2003), dass die Verlagerung der Macht auf die lokale Ebene mit Prozessen zur Gewährleistung der Rechenschaftspflicht und Aufsicht einhergehen muss, die von der zentralen Schulbehörde geleitet werden. Von grundlegender Bedeutung ist auch die Finanzierung von technischem Support und Schulungen in deliberativer Demokratie. Außerdem müssen, wie Fung und Wright auf der Grundlage eines Vergleichs der verschiedenen Ergebnisse von Schulreformprojekten argumentieren, die großen Unterschiede in den Ressourcen, die die verschiedenen Akteur*innen mitbringen, ausgeglichen werden. Während Verwaltungsangestellte durch ihre Verbindung zur Zentralbehörde Führungsmacht ausüben und die Autoritätsansprüche der Lehrkräfte, die sich auf ihr Fachwissen berufen, von deren Gewerkschaften gestützt werden, verfügen Eltern, insbesondere wenn sie aus der Arbeiterklasse und aus armen Verhältnissen stammen, über keine institutionalisierte Macht- oder Autoritätsbasis. Fung und Wright weisen darauf hin, dass Expert*innen in Entscheidungsprozessen im Allgemeinen nur ungern ihre Macht mit Nicht-Expert*innen teilen, und Lehrer*innen sind hier keine Ausnahme. Sie argumentieren, dass eine gemeinsame Steuerung, bei der Lehrer*innen, Verwaltungsangestellte und Eltern bei der Gestaltung der Schulpolitik und der Lösung von Problemen wirklich zusammenarbeiten, voraussetzt, dass die Eltern organisiert sind oder von einer gemeinschaftsbasierten Organisation unterstützt werden – und sprechen hier von einer „Gegenmacht“ zu den Insider-Gruppen (Verwaltungsangestellte und Lehrkräfte), die ansonsten das Feld beherrschen. Unter diesen Bedingungen, so führen sie an, waren Schulen in Chicago, Oakland und Texas in der Lage, eine kooperative Art der Governance zu praktizieren.

Arbeitnehmergenossenschaften in der Sozialwirtschaft

Obwohl es uns vielleicht lieber wäre, wenn eine öffentlich organisierte und finanzierte frühkindliche Bildung und Betreuung in den USA zur Norm würde, wird das Angebot an Betreuungseinrichtungen von gewinnorientierten und gemeinnützigen Kindertagesstätten und Tagespflegeanbieter*innen dominiert. Jede Bewegung, die sich für einen Ausbau der öffentlichen Finanzierung für die frühkindliche Betreuung und Bildung in den USA stark macht, wird hier auf starken Gegenwind stoßen. Eine Möglichkeit, ihre Behauptung zu entkräften, sie könnten (durch die „Konsumentenwahl“) besser auf elterliche Einflüsse eingehen, besteht, wie ich bereits dargelegt habe, in der Entwicklung von Modellen zur frühkindlichen Bildung und Betreuung innerhalb der öffentlichen Schulen, die zugänglich und demokratisch sind. Eine weitere Strategie zur Demokratisierung der Betreuungsangebote hat sich in der so genannten „Sozialwirtschaft“ aus gemeinnützigen Organisationen, Erzeugergenossenschaften, Gesellschaften auf Gegenseitigkeit und Arbeitnehmergenossenschaften herausgebildet, einem Wirtschaftssektor zwischen Staat und Markt.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist der sozialwirtschaftliche Sektor angesichts des Bedarfs an personenbezogenen Dienstleistungen, der von staatlichen Programmen nicht gedeckt wird, gewachsen. In den USA geht die Expansion dieses gemeinnützigen Sektors in erster Linie auf eine neoliberale Umstrukturierung des Staates zurück, die öffentliche Dienstleistungen durch die Vergabe von Aufträgen an gemeinnützige Organisationen auslagert, die sich auf nicht gewerkschaftlich organisierte, schlecht bezahlte und überwiegend weibliche Arbeitskräfte stützen. In Schweden, Italien und Québec wurde die Expansion der Sozialwirtschaft ebenfalls durch den Abbau staatlicher Mittel und den daraus resultierenden ungedeckten Bedarf an Betreuungsdienstleistungen vorangetrieben. Doch während in den USA hierarchisch geführte Non-Profit-Organisationen den Bereich der vom Staat beauftragten Sozialdienstleister dominieren, haben in anderen Ländern Arbeitnehmergenossenschaften die sich bietenden Möglichkeiten genutzt, um neue Formen der Erbringung von Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen zu schaffen. In Québec wurde die Ausbreitung von Arbeitnehmergenossenschaften in diesem Bereich durch eine feministische soziale Bewegung mit gewerkschaftlicher Unterstützung gefördert. Auch in Schweden scheinen die angesichts der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen besorgten Gewerkschaftsverbände die öffentliche Finanzierung von Arbeitnehmergenossenschaften und anderen Formen nicht-privater Unternehmen, die mit dem Staat Verträge über die Erbringung von Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen abschließen, unterstützt zu haben. In Italien, wo Erzeugergenossenschaften bereits gut etabliert waren, wurden staatliche Schutz- und Regulierungsmaßnahmen 1991 auf „soziale Genossenschaften“ ausgeweitet – Arbeitnehmergenossenschaften, die nicht nur ihren eigenen Mitgliedern, sondern auch der lokalen Gemeinschaft Nutzen bringen sollen. Zu den Genossenschaftsmitgliedern gehörten neben den Arbeitnehmer*innen auch die Nutzer*innen der Dienstleistungen sowie Finanzierungsstellen und öffentliche Institutionen. Außerdem verlangte die Gesetzgebung, dass die Beschäftigungsstandards und Leistungen denen des italienischen Staates entsprechen müssen. In Anlehnung an das italienische Modell erkennt auch Québec „Solidaritätsgenossenschaften“ an, zu denen auch Mitglieder aus der Gemeinschaft gehören, die die Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Gewiss sind auch demokratische Organisationen mit vielen der Herausforderungen konfrontiert, denen sich hierarchische Organisationen stellen müssen: Kommunikation vereinfachen, Konflikte bewältigen, Mitarbeiter*innen motivieren und einbinden, Autorität ausüben, das Engagement aufrechterhalten. Noch komplexer wird das Ganze durch die Dilemmas, die demokratische Führung und Entscheidungsfindung mit sich bringen. Darüber hinaus gibt es bei der Betreuungsarbeit, wie bei jeder Arbeit, die Fachwissen erfordert, Wissens- und Kompetenzunterschiede, die die Gleichheit der Beteiligung und Autorität untergraben könnten. Und schließlich werden die Schwierigkeiten des demokratischen Prozesses durch die Einbeziehung der auf die Dienstleistungen angewiesenen Personen in die Entscheidungsfindung noch komplizierter. Die Lösung dieser Probleme ist keine einfache Aufgabe – aber es besteht ein großer Unterschied zwischen einem Arbeitsplatz, an dem solche Ungleichheiten nicht nur akzeptiert, sondern belohnt werden, und einem Arbeitsplatz, an dem diese systemimmanenten Ungleichheiten als ein Problem gelten, das es zu überwinden gilt.

Im Zentrum der stark ausgeweiteten, öffentlich finanzierten und universellen Programme, die Meyers und Gornick vorschweben, stehen zwei Forderungen: Zum einen, dass die Betreuung von Menschen über den gesamten Lebenszyklus eine gesellschaftliche Verantwortung ist, eine Verpflichtung, die unsere Verbundenheit als menschliche Gemeinschaft widerspiegelt, und zum anderen, dass Männer und Frauen gleichermaßen an der Arbeit beteiligt sein sollten, die durch diese Programme gefördert wird, weil wir die Gleichstellung der Geschlechter schätzen und weil die Pflege anderer eine Quelle grundlegender menschlicher Freude und eine Fähigkeit ist, die Männer entwickeln und genießen sollten. Man könnte noch weitere Argumente für diese Programme anführen, und dies wurde häufig auch getan: weil sie die Effizienz der Arbeitnehmer*innen erhöhen, weil unsere Wirtschaft ohne sie das Potenzial der Frauen verschwendet, weil sie dafür sorgen, dass Kinder zu produktiven Bürger*innen heranwachsen und nicht zu einer Belastung für die Gesellschaft werden. Argumente wie diese mögen zwar jene überzeugen, die an der Macht sind und politische Entscheidungen treffen, gehören aber nicht zu den Ideen, die zum Aktivismus anregen – und ein solcher Aktivismus wird notwendig sein, um bedeutende Reformen wie diese durchzusetzen. Da es sich bei den Beschäftigten im Care-Sektor überwiegend um Frauen und um Women of Color handelt und da Frauen auch die Mehrheit der unbezahlten Pflegekräfte stellen, werden es die Frauen sein, die diese Bewegung vorantreiben müssen. Alternative Modelle für die demokratische Organisation von Care-Arbeit und Wohnen werden zur Entstehung einer solchen Bewegung beitragen, weil sie helfen, den Ängsten entgegenzuwirken, die Frauen im Zusammenhang mit ihrer Verantwortung für die Pflege erleben – Ängste, die sowohl von sozialkonservativen als auch von neoliberalen Diskursen mit Nachdruck geschürt werden. Die Menschen, die an diesen Experimenten beteiligt sind, die Fähigkeiten, die sie weitergeben können, und die Arbeits- und Lebensweisen, die sie entwickelt haben, liefern ein überzeugendes Zeugnis von den Möglichkeiten gesellschaftlicher Solidarität und Gleichberechtigung.