HOW TO BE AN ALLY TO RIVERS, PLANTS, MICROORGANISMS
Institutionelle, künstlerische und juristische Zugänge zu den Rechten von Ökosystemen
Sa 10 Dezember 2022, 11—20 Uhr

mit Lunch, Dinner und Drinks von Paula Erstmann

Einen ganzen Tag lang erforscht die Temporary Gallery verschiedene Zugänge zu den Rechten der Natur an sich selbst und der politischen Teilhabe von mehr-als-menschlichen Lebewesen.

Der Workshop How to do a Zoöperation? mit Klaas Kuitenbrouwer und Wietske Nutma (Het Nieuwe Instituut, Rotterdam) führt in das “Zoöp-Modell” ein (Organisationsmodell für die Zusammenarbeit zwischen menschlichem und nicht-menschlichem Leben) und vermittelt erste Schritte zur Gründung einer mehr-als-menschlichen Organisation.

Die Künstler*innengruppe Club Real lässt Mikroorganismen an demokratischen Entscheidungsprozessen teilhaben. Ihre Lecture Performance Jenseits der Natur erkundet Ökosysteme als Organismendemokratien.

In einem Kurzvortrag führt Dr. Andreas Gutmann (Universität Kassel) aus juristischer Perspektive in das Thema Rechte der Natur ein. Zum Abschluss diskutieren die Teilnehmenden, welche Synergien sich an der Schnittstelle zu künstlerischen und institutionellen Praktiken ergeben könnten.

Wie können Kunst und Recht zusammenwirken, um den Kulturwandel hin zu einem post-anthropozentrischen, dekolonialen und anti-patriarchalen Naturverständnis zu fördern?

In den Pausen verköstigt die Künstlerin Paula Erstmann alle Teilnehmenden mit verschiedenen Gerichten, Snacks und Drinks.

Anmeldung für den Workshop bis zum 08.12.22 bei ns@temporarygallery.org (bitte Lebensmittelallergien angeben)
Die Veranstaltungen können einzeln besucht werden.
Die Veranstaltung findet alternierend auf Englisch und Deutsch statt.

Der Workshop ist Teil des Programms „Instituting in Circles: Ökologische Ansätze in Kunst und Kunstinstitutionen” kuratiert von Nada Rosa Schroer.

Ablauf
11—13 Uhr
Workshop Zoöp Teil I: Mapping the site - Welche Lebewesen bewohnen den Ort?

13—14 Uhr
Mittagessen von/mit Paula Erstmann

14—17:30 Uhr
Workshop Zoöp Teil II: Diskussion und Rollenspiel - wie lassen sich die Interessen aller Entitäten institutionell berücksichtigen?

17:30—18 Uhr
Kaffeepause

18—19 Uhr
Lecture Performance Club Real “Jenseits der Natur – Ökosysteme als Organismendemokratien”

19—20 Uhr
Input Dr. Andreas Gutmann (Universität Kassel) zu den Rechten der Natur + Abschlussdiskussion mit Dr. Andreas Gutmann, Club Real + Klaas Kiutenbrouwer/ Wietske Nutma

ab 20 Uhr
Dinner und Drinks von/mit Paula Erstmann

How to do a Zoöperation?
Workshop mit Klaas Kuitenbrouwer und Wietske Nutma (Het Nieuwe Instituut, Rotterdam)
11:00-17:30 mit Mittagspause
in englischer Sprache

Zoöp ist die Abkürzung für Zoöperation: Kooperation mit zoë, griechisch für "Leben". Zoöp ist ein Organisationsmodell für die Zusammenarbeit zwischen menschlichem und nicht-menschlichem Leben, das die Interessen des gesamten Lebens wahrt und dieses Ökosystem unterstützt. Eine Zoöp macht die Interessen nicht-menschlicher Lebenwesen zum Teil der organisatorischen Entscheidungsfindung, indem so genannte Sprecher*innen für das Leben als Berater*innen und Beobachter*innen im Vorstand der Organisation eingesetzt werden.

Das Zoöp-Modell kann von allen Organisationen, ob gemeinnützig oder kommerziell, übernommen werden, die die ökologische Regeneration zu einem Teil ihrer Praxis machen wollen. Ziel ist es, Strukturen für symbiotisches, institutionelles Handeln und regeneratives Wirtschaften zu schaffen.

Bei diesem Workshop in der Temporary Gallery in Köln beschäftigen sich die Teilnehmer*innen mit den grundlegenden Schritten, um eine Zoöp zu starten. Der Workshop umfasst ein ortsspezifisches Mapping, spekulatives Storytelling und Rollenspiele zur Annäherung an nicht-menschliche Perspektiven.

Das Zoöp-Modell wurde am Het Nieuwe Instituut in einem öffentlichen Forschungsprozess in mehreren Phasen von einer Gruppe von Rechtsexpert*innen, Ökolog*innen, Künstler*innen, Designer*innen, Unternehmer*innen und Philosoph*innen entwickelt.

Jenseits der Natur – Ökosysteme als Organismendemokratien
Lecture Performance mit Club Real (Marianne Ramsay-Sonneck und Georg Reinhardt)
18:00-19:00 Uhr
in deutscher Sprache

Wem gehört die Stadt und wem gehört das Land? Welche der Millionen von Spezies der Ökosysteme haben eine Stimme, die gehört wird? Wer entscheidet mit, wenn aus einem Wald ein Forst werden soll, aus einer Brachfläche eine Wohnhausanlage, oder aus einer Bergbaulandschaft eine Sondermülldeponie? Welche Arten demokratischer Versammlung sind möglich, die anders-als-menschlichen Lebewesen Gehör verschaffen und – auch jenseits von temporären Kunstprojekten – an der Macht beteiligen? Auf diese Fragen finden die seit 2017 von Club Real gemeinsam mit Bürger*innen in Wien, Berlin, Gelsenkirchen, Augsburg, Leipzig und Paris entwickelten Organismendemokratien neue Antworten.

Die Organismendemokratie ist ein Modell für die Versammlung und politische Einbindung aller Lebewesen in die Entwicklung und Pflege eines Ökosystems. In ausgewählten Ökosystemen erhalten alle Organismen die dort leben – von der rötlichen Glanzschnecke über den Eschenahorn bis zum Wurzelknöllchenbakterium – die gleichen politischen Rechte. Menschen lernen Ihre anders-als-menschlichen Mitbürger*innen kennen und geben ihnen in Parlamenten der Lebewesen eine Stimme. Die Ergebnisse und Beschlüsse der demokratischen Versammlungen werden zum „Regierungsauftrag“ für die Pflege und Entwicklung der Ökosysteme. Als Modelle des artübergreifenden, guten Zusammenlebens sollen sie inspirierend auf andere Gemeinschaften wirken und Wege aufzeigen aus der Einsamkeit und Idiotie menschlicher Alleinherrschaft über die Biosphäre auszubrechen.

Ökosysteme als demokratische und juristische Subjekte
Input von Dr. Andreas Gutmann
Abschlussdiskussion mit Dr. Andreas Gutmann, Klaas Kuitenbrouwer/ Wietske Nutma und Club Real
19:00-20:00 Uhr
in deutscher Sprache

Das Recht der Natur an sich selbst ist Bestandteil vieler indigener Kosmologien. Auch in der westlichen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung nimmt die Debatte um die Anerkennung von Ökosystemen als Rechtssubjekte Fahrt auf, woran indigene Kämpfe einen großen Anteil haben. Doch bisher gilt die Umwelt in den meisten Staaten des sogenannten Globalen Nordens lediglich als Schutz-Objekt.

Dr. Andreas Gutmann (Universität Kassel) führt in einem Kurzvortrag in das Thema Rechte der Natur ein. Welche Bedeutung hat die juristische Symmetrie von menschlichen und nicht-menschlichen Entitäten für die Erhaltung der Lebensgrundlagen? Was sind die Vor- und Nachteile dieser rechtlichen Herangehensweise? In welche Richtung entwickelt sich das deutsche Rechtssystem, sowohl in Bezug auf die Anerkennung der Rechte der Natur als auch in Bezug auf die intergenerationale und internationale Klimagerechtigkeit?

Die Abschlussdiskussion fragt nach den spezifischen Wirkweisen von juristischen, künstlerischen und institutionellen Praktiken. Wie können diese zusammenwirken, um den Kulturwandel hin zu einem post-anthropozentrischen, nicht-extraktivistischen und anti-patriarchalen Naturverständnis zu fördern?

Biographien
Die Künstler*innengruppe Club Real entwickelt seit 2000 partizipative, ortsspezifische Projekte. Installationen, Eins-zu-Eins-Begegnungen, politische Rollenspiele und partizipative Stadtentwicklungsprojekte laden die Besucher*innen dazu ein, alternative Realitätsentwürfe mitzugestalten. Seit 2018 arbeitet Club Real in Berlin, Wien, Gelsenkirchen und Augsburg an dem partizipativen Politikexperiment Organismendemokratie. 2020/2021 war die Berliner Organismendemokratie Teil der Ausstellung und Projektreihe Cohabitation von ARCH+ und in Gelsenkirchen verwirklichte Club Real für Urbane Künste Ruhr das Projekt 800.000 Jahre Photosynthese. 2023-2025 entsteht in Augsburg in Zusammenarbeit mit dem Brecht Festival die Augsburger Republik der Lebewesen. Club Real bringt seit seiner Gründung Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen. Ständige Mitglieder sind Marianne Ramsay-Sonneck, Paz Ponce, Georg Reinhardt, Mathias Lenz und Thomas Hauck. clubreal.de, organismendemokratie.org, @clubrealberlin

Paula Erstmann nutzt vor allem Nahrungsmittel als künstlerisches Medium, um ein Gefühl der Gemeinschaft zu schaffen und einen Dialog anzuregen. Ihre kulinarischen Arbeiten sind Forschungsarbeiten zwischen Kunst und Alltag: Sie re- und dekontextualisieren Codes, die wir mit dem Akt des Essens, bestimmten Zutaten oder dem Geschmackssinn assoziieren. So eröffnet Paula Erstmann sinnliche wie soziale Räume, um soziale Erfahrungen zu generieren. Vor allem regen sie dazu an, Essen (und seine Präsentation) als ästhetisches und resonantes Kommunikationsmedium wahrzunehmen - und seine Möglichkeiten neu zu überdenken. Paula Erstmann ist Foodpoetin und soziale Aktivistin.

Andreas Gutmann arbeitet als PostDoc im Fachgebiet Just Transitions an der Universität Kassel und ist derzeit Rechtsreferendar am Kammergericht Berlin mit Stationen unter anderem beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und dem Bundesverfassungsgericht. Er hat in Freiburg im Breisgau und Santa Marta, Kolumbien Rechtswissenschaften studiert und an der Universität Bremen mit dem Titel "Hybride Rechtssubjektivität - Die Rechte der "Natur oder Pacha Mama" in der ecuadorianischen Verfassung von 2008" promoviert. In einem von der DFG geförderten Projekt forscht er mit Partner*innen aus Ecuador zu Rechten der Natur. Forschungsinteressen sind unter anderem kritische und postkoloniale Rechtstheorie, Umweltrecht, Polizei- und Versammlungsrecht.

Klaas Kuitenbrouwer ist Senior Researcher am Het Nieuwe Instituut in Rotterdam und lehrt Theorie an der Gerrit Rietveld Academy. Er arbeitet an den Schnittstellen von Kunst, Design, Technologie und Ökologie. Im Jahr 2018 initiierte er das Projekt Zoöp: die Gestaltung und Umsetzung eines Organisationsmodells, das die Interessen aller Lebens wahrt. Gemeinsam mit Ellen Zoete kuratierte er “Have We Met? Humans and nonhumans on common ground”, den niederländischen Beitrag zur Mailänder Triennale 2022. Diese Ausstellung zeigte die Arbeit bestehender und zukünftiger Zoöps und gewann den ersten Preis für den besten Pavillon. https://zoop.earth/

Seit ihrem Abschluss an der Royal Academy of Art im Jahr 2019 arbeitet Wietske Nutma als multidisziplinäre Designerin und Forscherin. In ihrer Praxis beschäftigt sie sich mit den Bereichen Design, Ökologie und Partizipation, um einen Beitrag zur lebendigen Welt zu leisten. Wietske ist seit Februar 2021 am Het Nieuwe Instituut, wo sie sich dem Zoöp-Projekt angeschlossen hat, um zu erforschen, wie wir in artenreichen Gemeinschaften zusammenleben können. https://zoop.earth

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How to Zöop, Photo: Patricia de Ruijter, mediakaal.nl