THE CURATORIAL UNKNOWN
Kuratorische Honorare in Erwähnung ziehen
Workshop-Bericht
Ende April 2021, nach einem herausfordernden Jahr mit Schließungen, verschobenen Projekten und Einkommensverlusten, trafen wir uns zu einem Online-Workshop, um über die unbeständige Natur des freiberuflichen Kuratierens, die mangelnde Transparenz bei den Honoraren für Kuratoren und die Erwartung unbezahlter Arbeit zu diskutieren. Während dieser zweitägigen Veranstaltung, die von Kris Dittel und Katia Krupennikova geleitet wurde, tauschten freiberufliche KuratorInnen aus verschiedenen Lebensbereichen ihre Erfahrungen und mögliche Methoden aus, um sich gegenseitig zu unterstützen. Der folgende Text/die folgende Liste ist eine Sammlung unserer Gedanken und Ressourcen und kann als Erklärung betrachtet werden.
UNSERE GRUNDWERTE
Transparenz
Wir erkennen an, dass Transparenz der erste und wichtigste Schritt zu gleicher und angemessener Bezahlung ist. Über Geld und Finanzen zu sprechen, ist für viele ein Tabu, und der Irrglaube, dass der (kulturelle, intellektuelle, persönliche) Wert von Kunst durch ihren Geldwert definiert wird, verstärkt dies noch. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Arbeit nicht um der Kreativität willen unterbewerten oder die ungesunde Vorstellung haben, dass Geld Kreativität von Natur aus abwertet. Die Möglichkeit, über Budgets und Honorare zu sprechen, kann nur als ein Schritt nach vorn betrachtet werden und wird die Rechenschaftspflicht zwischen Kollegen und Institutionen fördern. Man sollte in der Lage sein, die Einrichtungen nach ihrem Jahresbudget und den aktuellen Arbeitsbedingungen zu fragen, gegenüber Kollegen und anderen Fachleuten transparent zu sein und um Ratschläge zu Honoraren, Budgetierung, Management usw. bitten zu können.
Solidarität
Da wir in einer fragilen Branche arbeiten, in der wir aufeinander angewiesen sind, sind Gegenseitigkeit und Solidarität unser Werkzeug und unser Ziel. Man sollte in der Lage sein, solidarisch zu sein, nicht nur mit anderen Kurator*innen, sondern auch mit anderen Kunstschaffenden wie Künstler*innen, Produzent*innen und Kunsthändler*innen. Solidarität beinhaltet die Umverteilung von Ressourcen - Finanzen, Zeit, Energie usw. - und das Verhandeln für Kolleg*innen und andere Fachleute. Beachtet, dass die Honorare je nach Kontext variieren, d. h. zwischen verschiedenen geografischen Standorten, Institutionen unterschiedlicher Größenordnung mit unterschiedlichen Budgets und Erfahrungen, und dass Vergleiche in diesem Zusammenhang möglicherweise unangemessen sind. Durch eine klare Kommunikation untereinander, sowohl in unseren jeweiligen lokalen Gemeinschaften als auch auf internationaler Ebene, werden wir nicht mit dem Gedanken zurückgelassen: „Ich nehme an, das ist hier ganz normal“, während wir in Wirklichkeit unterbezahlt und unterbewertet sind.
Kollektivität
Wir sind der Meinung, dass es bei Kollektivität nicht um einen Konsens geht, sondern um gegenseitiges Verständnis und gegenseitiges Einstehen. Teilen wir unsere Ressourcen, Energie und Zeit, um uns zu nähren und zu entwickeln; schaffen wir Netzwerke der Unterstützung und Ermächtigung, kümmern wir uns umeinander und schauen wir nach dem Befinden von Kolleg*innen und Freund*innen.
Wie können Sie kurzfristig und individuell für sich selbst eintreten?
Kuratorische Arbeit sollte als schöpferische Arbeit anerkannt werden, nicht als reine Verwaltungsarbeit, und sie sollte angemessen vergütet werden. Fehlende Honorare sind ein Zeichen dafür, dass die künstlerische/kuratorische Arbeit generell nicht gewürdigt wird. Denkt daran, dass es sich immer noch um einen Beruf handelt, und man sollte nie von uns erwarten, dass wir ohne Entlohnung für unsere Zeit und Mühe arbeiten. In dieser Liste haben wir einige Tipps für die Verhandlung von Honoraren für Kurator*innen zusammengestellt. Wir sind uns bewusst, dass diese Tipps vielleicht nicht für jeden gelten, aber ihr könnt darüber nachdenken und sie als Leitfaden verwenden.
- Wenn euch ein Projekt angeboten wird, erkundet euch bei der Einrichtung nach dem Gesamtbudget für das Projekt und dem Jahresbudget. So könnt ihr euch ein Bild vom Umfang des Projekts und von der Aufteilung des Budgets machen.
- Ihr könnt einen Prozentsatz des Budgets als Honorar verlangen oder einen Stundensatz anfragen.
- Bevor ihr ein Projekt annehmet, sprecht mit Kolleg*innen und lasst euch sich über Honorare/Budgets beraten.
- Sprecht euch nach Möglichkeit mit Mitarbeiter*innen der Einrichtung und/oder Kurator*innen, die in der Vergangenheit mit ihnen zusammengearbeitet haben.
- Lernt, euch nicht zu schämen, wenn ihr nach einem Honorar fragt (Eure Arbeit hat einen Wert).
- Sagt NEIN, wenn ihr der Meinung sind, dass eure Arbeit unterbewertet wird, oder wenn ihr mit den angebotenen Honoraren/Konditionen nicht einverstanden seid.*
- Stellt sicher, dass ihr einen rechtsgültigen Vertrag mit der Einrichtung habt. Darin sollten die Einzelheiten eurer Arbeit, die Arbeitszeiten und das Budget enthalten sein. Wenn ihr euch mit Verträgen nicht auskennt oder bei bestimmten Details nicht sicher seid, bittet Kolleg*innen und andere Fachleute um Meinung und Hilfe.
- Bereitet einen Zugangsplan vor, in dem Erwartungen und potenzielle Konflikte, die während der Arbeit auftreten könnten, dargelegt sind. Muster sind unten verlinkt.**
- Ihr könnt das Urheberrecht nutzen, um den Wert der kuratorischen Arbeit zu erläutern. Beachtet jedoch, dass die Urheberrechte von Kurator*innen derzeit in den meisten Urheberrechtsgesetzen nicht enthalten sind. Die Einzelheiten hängen von der nationalen Gesetzgebung ab, aber ihr könnt das folgende Beispiel (oder ein ähnliches) verwenden, um den Diskurs zu verändern: Wenn man sich eine Ausstellung im Kern wie einen Sammelband mit Texten vorstellt, gibt es zwei Ebenen des Urheberrechts: Erstens gibt es Urheberrechte für die Zusammenstellung und zweitens haben Künstle*innen ihre eigenen Urheberrechte. Auch dies hängt von der nationalen Gesetzgebung ab, ist aber dennoch ein nützliches Beispiel, um den Diskurs zu verändern. Das Ziel ist, dass wir die Gesetzgebung in unseren jeweiligen Ländern ändern und insgesamt dafür kämpfen, dass der Beruf der „Kurator*innen“ in das Urheberrecht aufgenommen wird.
- Wenn ihr mit einem Projekt beauftragt werdet, zählt eure Arbeitsstunden. Ihr könnt sie mit Aufschlüsselungen verfolgen, um eure Aufgaben und die dafür benötigte Zeit zu überblicken. Es gibt viele Apps und Websites zur Zeiterfassung im Internet, von denen wir einige unter Ressourcen auflisten.
- Sobald das Projekt abgeschlossen ist, stellt der Einrichtung eine Rechnung mit den geleisteten Stunden und deren Aufschlüsselung. Wenn ihr mehr gearbeitet habt, als durch Honorar oder Vertrag abgedeckt war, gebt dies in der Rechnung als „pro bono“ oder „Spende“ an. Diese Angaben werden in die Unterlagen der Einrichtung und der Behörden aufgenommen, und im Laufe der Zeit wird dadurch eine Rechenschaftspflicht für faire Löhne geschaffen.
- Gelegentlich ist es in Ordnung, umsonst zu arbeiten, aber achtet darauf, wer euch einlädt. Wenn die Leute, die euch eingeladen haben, bezahlt werden, verlangt ein Honorar. Wenn das ganze Projekt auf Aktivismus oder Freiwilligenarbeit basiert, ist es eure Entscheidung, das Projekt anzunehmen. Wählt eure Kämpfe weise.
- Wenn ihr keine Möglichkeit habt, Rechnungen zu bezahlen, solltet ihr euch überlegen, ob ihr nicht für eine Weile einen „Geldjob“ annehmen wollt - einen Job, der eurer Hauptkarriere nicht im Wege steht. Denkt daran, dass ein Geldjob nichts ist, wofür man sich schämen muss, brecht dieses Tabu und tut, was das Beste für eucg ist.
- Beschäftigt euch weiter damit, wie ihr als Kollektiv für Honorare eintreten können 🙂
* Wir sind uns bewusst, dass „Nein“ zu sagen ein Privileg sein kann, und wir fragen uns immer noch, wie man etwas bewirken kann, wenn man nicht „Nein“ sagen darf, und wie man dieses Thema vereinheitlichen und als politisches Thema neu definieren kann.
** Frame Finland - Access Rider
Hedva’s Disability Access Rider
QUELLEN
Organisationen, die sich für faire Löhne in Kunst und Kultur einsetzen
Belgien
- Curators Anonymous - Gruppe von Kurator*innen in Belgien, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt.
Finnland
- Frame Contemporary Art Finland setzt sich für die zeitgenössische Kunst in Finnland ein. Frame unterstützt internationale Initiativen, erleichtert professionelle Partnerschaften und fördert die kritische Entwicklung des Bereichs. Die Publikation „Access Riders“ ist sowohl ein Instrument als auch eine Einladung an Institutionen und Einzelpersonen, sicherere Wege zu finden, um einen Dialog über unsere verschiedenen Bedürfnisse, Grenzen und Wünsche zu eröffnen, wenn wir Arbeitsbeziehungen eingehen.
Frankreich
- Astre-Reseau ist ein Netzwerk für visuelle Künste, das sich zum Ziel gesetzt hat, das künstlerische Schaffen und den künstlerischen Ausdruck zu unterstützen und zu fördern, künstlerische Produktionen für alle zugänglich zu machen und eine gerechte Entwicklung, Zusammenarbeit und Unterstützung des Sektors der bildenden und visuellen Künste in Nouvelle-Aquitaine zu gewährleisten, und das ein Referenzsystem für die künstlerische Vergütung entwickelt hat.
- D.C.A - Charta der bewährten Praktiken für Zentren für zeitgenössische Kunst, ein Leitfaden für Honorare
- DOCUMENTATIONS ist ein partizipatives Medium, das gegen den konservativen und hegemonialen Diskurs ankämpft, der die Kunst heute beherrscht. Öffentliche Ausschreibungen. Instagram
Deutschland
- medienwerk.nrw ist das Netzwerk für Medienkunst und digitale Kultur in Nordrhein-Westfalen. Bestehend aus 25 Institutionen, darunter Kunstvereine, Museen, Ausstellungsräume, Festivals, Produktionsstätten der darstellenden Künste, Archive und Hochschulen, versteht sich als ein Bündnis unterschiedlicher Akteure in der Medienkunstlandschaft Nordrhein-Westfalens. Guideline zu den Honoraren.
Niederlande
- Platform BK erforscht die Rolle der Kunst in der Gesellschaft und setzt sich für eine bessere Kunstpolitik ein. Sie vertritt Künstler*innen, Kurator*innen, Designer*innen, Kritiker*innen und andere Kulturschaffende.
- The Fair Practice Code ist ein Verhaltenskodex für die Arbeit in der Kunst-, Kultur- und Kreativbranche, der auf fünf Grundwerten beruht: Solidarität, Vielfalt, Vertrauen, Nachhaltigkeit und Transparenz. Der Kodex lädt zur kritischen Reflexion ein und bietet eine Anleitung, wie der Sektor einen zukunftssicheren Arbeitsmarkt und eine zukunftsfähige Berufspraxis erreichen kann.
- Kunstenaarhonoraria - Kalkulator für Künstlerhonorare
- Dutch Museum Association - Gehaltsschema für Museumskuratoren (S. 10/11 - nur auf Niederländisch)
Italien
- Art Workers Italia ist die erste autonome und überparteiliche Vereinigung, die mit dem Ziel gegründet wurde, den zeitgenössischen Kunstschaffenden in Italien eine Stimme zu geben. (nur auf Italienisch)
Norwegen
- The Norwegian Association of Curators setzt sich für ein besseres Verständnis der kuratorischen Praxis in Norwegen ein und fördert die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen seiner Mitglieder in Bezug auf die öffentliche Politik und die kulturellen Einrichtungen.
Polen
- Obywatelskie Forum Sztuki Współczesnej - eine Initiative von Künstlern, Kritikern und Kuratoren der zeitgenössischen Kunst. Ihr Ziel war es, Einfluss auf die rechtlichen und institutionellen Änderungen zu nehmen, um eine angemessene Entwicklung des Kulturbereichs zu ermöglichen. Vereinbarung über Mindestlöhne für Künstlere.
Sweden
- Konstnärernas Riksorganisation - der schwedische Künstlerverband vertritt schwedische bildende Künstler*innen in politischen Fragen, die die Kunst und die finanzielle und soziale Situation der Künstler*innen betreffen. The MU agreement - Vereinbarung über die Bezahlung von Künstler*innen für Teilnahme und Ausstellung.
USA
- Arts and Museum Salary Transparency - Open-Source Google Tabellenkalkulation, 2019
- W.A.G.E for Work versucht, nachhaltige wirtschaftliche Beziehungen zwischen Künstler*innen und den Institutionen, die unsere Arbeit in Auftrag geben, herzustellen und Mechanismen zur Selbstregulierung im Kunstbereich einzuführen, die kollektiv zu einer gerechteren Verteilung seiner Wirtschaft führen.
Weiterführende Lektüre*
Art Workers: Materielle Bedingungen und Arbeitskämpfe in der zeitgenössischen Kunstpraxis
Preliminary Statement Freelance Curators von Platform BK
Parse Journal Ausgabe über “Art and Work”
Forschungshandbuch zu Kunst und Recht von Alana Kushnir, 2020 - The curator’s copyright
The Trouble with Value: Art and Its Modes of Valuation herausgegeben von Kris Dittel, 2020
Artist at Work, Proximity of Art and Capitalism von Bojana Kunst, 2015
Reproducing Autonomy: Work, Money, Crisis and Contemporary Art von Kerstin Stakemeier, Marina Vishmidt, 2016
Facing Value von Maaike Lauwaert & Francien van Westrenen, 2017 (vergriffen)
*Wenn Sie eine der Ressourcen nicht finden können, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen info@tempoarygallery.org.
Ihr seid euch nicht sicher, was "das Kuratieren" beinhaltet? Hier ist, was wir während unseres Workshops zusammengestellt haben..
Kurator Zeren Oruc