Gaura, die 30 Frauen von Reni, Amrita und ihre drei Töchter, die Chipko-Bewegung (sol lucet omnibus)

 

Der Boden gehört uns. Das Wasser gehört uns. Dies sind unsere Wälder. Die Chipko-Bewegung (Hindi für „Umarmung“) im Indien der 1970er-Jahre geht auf das Jahr 1730 zurück, als der König von Jodhpur seine Soldaten in Bishnois-Dörfer schickte, um Bäume für den Bau seines neuen Palasts zu fällen. Als die Soldaten begannen, die heiligen Khejri-Bäume zu fällen, rannte Amrita Devi, eine Bishnoi-Frau, los, um das Fällen zu stoppen. Die Soldaten wurden gewalttätig und schlugen mit einer Axt auf sie ein. Als ihre drei Töchter dies sahen, umarmten sie ebenfalls Bäume und wurden daraufhin getötet. Bald beteiligten sich auch andere Dorfbewohner*innen an diesen Baumumarmungen, was zu einem Massaker führte, bei dem 363 von ihnen ums Leben kamen.

In den 1920er-Jahren wurden die Wälder im Garahwal-Himalaya gerettet, indem die Aufmerksamkeit auf die grundlegende wechselseitige Abhängigkeit zwischen Mensch und Natur gelenkt wurde. Es handelt sich um eine Region mit dichter Bewaldung, welche den Baumbestand bis dahin geschützt hatte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts förderten die britischen Kolonialbehörden die Abholzung von Wäldern in der Gegend, um englische Verbraucher*innen mit Teakholz zu versorgen und landwirtschaftliche Flächen zu vergrößern. Nach der Unabhängigkeit übernahm die neue indische Regierung eine Industriepolitik im westlichen Stil, die weiterhin die Lebensweise der Garahwal bedrohte. Als die Schlägerungen in den frühen 1970er-Jahren erneut zunahmen, versperrten die Einheimischen den Holzfällern den Zugang zu den Bäumen. Im Jahr 1975, an einem Tag, an dem umfangreiche Baumfällungen geplant waren, wollten Regierungsbeamte durch eine Entschädigungszahlung sicherstellen, dass sich die Männer des Dorfes Reni nicht in den Wäldern aufhalten. Doch eine Gruppe von 30 Frauen unter der Führung von Gaura Devi behinderte die Arbeiter, indem sie die Bäume mit ihren Körpern schützten. „Diese Bewegung der armen Frauen war eine Bewegung, die die Rechte der lokalen Gemeinschaften über ihre lokalen Ressourcen einforderte. Die Frauen, die aufgrund der erschöpften Bodenfruchtbarkeit nun auf den Import von Ressourcen angewiesen waren, mahnten das Vorrecht über die Bäume, die ihrer Meinung nach die Grundlage ihres täglichen Überlebens sind, ein. Ihre Bewegung führte den Menschen in Indien vor Augen, dass nicht die Armut, sondern die extraktive und ausbeuterische Wirtschaft der größte Umweltverschmutzer ist“, schreibt Sunita Narain.

Die Chipko-Bewegung, die an streng gewaltfreien Protesttaktiken festhält, hat zu jahrzehntelangen Baumfällverboten in zahlreichen Wäldern im Himalaya geführt und schützt die Menschen und Ressourcen im ländlichen Indien durch eine Mischung aus von Frauen geführten lokalen Aktionen, Fußmärschen, Fasten und durch eine strategische, auf internationale Unterstützung zielende Öffentlichkeitsarbeit.

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Soil is ours. Water is ours. Ours are these forests. The Chipko—Hindi for “hug”—Movement of 1970s India, dates back to 1730 when the King of Jodhpur sent his soldiers to Bishnois villages to cut trees to build his new palace. As the soldiers began cutting the sacred Khejri trees, Amrita Devi, a Bishnoi woman, ran to stop the felling. The soldiers took to violence and struck her with an axe. Seeing this, her three daughters also hugged trees and they too were killed. Soon, other villagers joined in the tree hugging, which lead to a massacre that killed 363 of them.

In the 1920s, forests in the Garahwal Himalayas were saved by calling attention to the deep interdependence between humans and the natural world. It is a region with dense woodlands which had protected its tree population until then. In the early 19th century, British colonial authorities encouraged forest clearing in the area to provide teak for English consumers and expand agricultural land. After independence, the new Indian government adopted Western-style industrial policy that continued to threaten the Garahwal way of life. As logging accelerated again in the early 1970s local people were confronting lumbermen by physically blocking them from the trees. In 1975, on a day of major felling, government officials wanted to ensure that the men of the village of Reni would be gone from the forests by a compensational pay-out. But a group of 30 women under the leadership of Gaura Devi stopped contractors from cutting trees guarding them with their bodies. “This movement of the poor women was a movement to demand the rights of local communities over their local resources. The women, who now had to rely on importing resources due to the depleted soil fertility, wanted the first right over the trees, which they said were the basis for their daily survival. Their movement explained to the people of India, that not poverty, but extractive and exploitative economies were the biggest polluter,” writes Sunita Narain.

The Chipko Movement, adhering to strictly nonviolent protest tactics, has resulted in decade-long tree-felling bans in numerous forests in the Himalayas, protecting the people and resources of rural India by using a mix of women-led local action, foot marches, fasts, and strategic publicity to gain international support.

SEEDS RENAMED
Ines Doujak