GENOSSENSCHAFT FÜR KULTURARBEITER*INNEN
Ein Vortrag von Magdalena Ziomek, Gründerin & CEO von SMartDe eG
11 März 2021

Ort: Zoom
Anmeldungslink: https://zoom.us/meeting/register/tJwpceipqjktHtGJaZCbbCKLtu8jgGepvD1g
Sprache: Deutsch

 

Freie Projekte, wechselnde Teams –die Arbeit in der Kunstbranche hat wenig mit traditionellen Arbeitswelten gemein. Und sie stellt die Beteiligten oft genug vor Herausforderungen. In Zeiten, in denen das Bewerben das neue Arbeiten ist, Kunstwerke zwischen den Kontinenten verschifft werden und Kunstresidenzen wichtige Netzwerkknotenpunkte sind, sind Informationen zu arbeitsrechtlichen, rechtlichen und administrativen Fragen praktisch zu haben. Magdalena Ziomek (Gründerin & CEO SMartDe eG) wird ihres Projekt, SMartDE, vorstellen– ein europaweites Netzwerk, das die Arbeitsbedingungen von Selbstständigen verbessern will. Als Genossenschaft erstreckt sich SMart derzeit auf neun Länder mit über 95.000 Mitglieder. Das Besondere: SMartDE-Mitglieder, die selbständig arbeiten, können sich über einen Zeitraum fest anstellen lassen –und sind darüber über SMartDE versichert. In der Corona-Krise bekommt ihr Konzept noch eine ganz andere Gewichtung: Selbständige haben in Deutschland nämlich keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, SMartDE-Mitglieder schon. Das Projekt wurde letztens von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen) unterstützt.

SMartDE ist ein Gemeinschaftsunternehmen, das auf Solidarität und den Prinzipien der Sozialwirtschaft beruht. Die Genossenschaft folgt dem Prinzip der Shared Company, indem sich alle Mitglieder die Kosten für das gemeinschaftliche Unternehmen durch die Verwaltung der administrativen und wirtschaftlichen Leistungen innerhalb der Genossenschaft teilen.
www.smart-eg.de

Magdalena Ziomek ist 1974 in Tychowo, Polen geboren. Sie studierte Kunstgeschichte an der Universität Posen und ist später nach Bremen gezogen. In Deutschland absolvierte sie Ergänzungsstudiengänge im Museum- und Ausstellungswesen sowie im Projektmanagement. Seit vielen Jahren kuratiert sie Ausstellungen und koordiniert internationale Kulturprojekte. Außerdem arbeitet sie als Übersetzerin und Beraterin im Bereich polnisch-deutscher Kulturprojekte. Sie ist Mitbegründerin der Vereine agitPolska e.V. und SMartDe Netzwerk für Kreative e.V. sowie der Genossenschaft SMartDe eG.

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Ich weiß, du bist entmutigt und desillusioniert
Durch den aktuellen Stand der Dinge

Du fragst dich, was aus dieser Welt wird
Wo ist die Herrlichkeit, von der du als Kind geträumt hast...

Du betrachtest die untergehende Sonne,
ohne zu wissen, dass du desorientiert bist.
Des-orientiert: vom Osten abgewandt.
Die wechselnde Strömung scheint sich gegen dich zu verschwören.

Warum drehst du dich nicht einfach um
Verringern deine westliche Blendung und blicken auf die aufgehende Sonne
Nimm die Energie wahr, die aus ihrem Zentrum strömt
Wie sie uns alle erhellt und nur die Vögel fliegen erste Klasse...
Da ist dein Erbe!
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Coldcut. “Mr Nichols,” Sound Mirrors, 2006.

Die Veranstaltung ist ein Teil des Projektes „und nur die Vögel fliegen erste Klasse...“, das zur Reflexion über die Strukturen des Kunstsystems und mögliche Reaktionen darauf einlädt. Sein Ziel ist es, über gewöhnliche Kritik an den Mechanismen der Kunstszene hinauszugehen und progressive Ideen und Lösungsvorschläge mit Modellcharakter zu präsentieren. Die Motivation zur Durchführung des Projektes stammt zwar aus der Zeit vor der Pandemie, wurde aber durch die Beobachtungen während dieser Zeit verstärkt. „In den Tagen der Absagen, Schließungen und Verschiebungen im Kunstbetrieb, die vor allem die Künstler*innen und Freiberufler*innen mit aller Härte treffen, offenbaren sich mit voller Kraft die prekären Verhältnisse, auf denen der Kunstbetrieb seit Jahrzehnten aufruht. Es sind ausgerechnet die Künstler*innen, die hier in der Regel am stärksten ausgebeutet werden und kaum finanziell abgesichert sind. Die Hilfspakete, die in den letzten Wochen in vielen europäischen Ländern verabschiedet wurden, sind richtig und wichtig, doch sie offenbaren nichts anderes als die Fehler des Systems – und sie werden früher oder später die Blaupause dafür abbilden, einschneidende Kürzungen im öffentlichen Kunstsektor, der längst an den existenziellen Limits arbeitet, als alternativlos zu verkünden. Am Ende werden es die Künstler*innen und Freiberufler*innen doppelt bezahlen, denn an ihnen wird immer zuerst gespart.“[1] Diese Erfahrungen müssen aber vielmehr dazu führen, die Kunstmechanismen neu zu denken und neu zu verhandeln.

Im Rahmen des Projektes werden vor allem praktische Ansätze und Initiativen zur Diskussion gestellt. Gemeinsam mit eingeladenen Experten möchten wir überlegen, wie man das tägliche Leben von Künstler*nnnen und Kurator*innen erleichtern und verbessern kann. Die Themen des Projekts sind bewusst breit gedacht, so dass sie auf unterschiedliche Lebensaspekte bezogen werden können. Neben dem Vortrag von Magdalena Ziomek sind geplant: ein Workshop zu Kuratorenhonoraren mit Kris Dittel und Katia Krupennikova, ein Permakultur-Online-Kurs (ab 27. März 2021) mit einer Forschungsgruppe von Künstler*innen und Kurator*innen zum Thema „Von der Permakultur lernen,“ ein Programmierkurs, ein Austauschkreis zum Thema Co-Housing und viele weitere Veranstaltungen.

Die Veranstaltungen des Projektes werden mit zahlreichen Kooperationspartner entwickelt wie zum Beispiel BBK Köln und And She Was Like Bäm! Der Titel des Projektes kommt von dem Song „Mr. Nichols“ von Coldcut und Saul Williams, der eine sehr treffende Beschreibung des emotionalen Zustands der Verzweiflung, Orientierungslosigkeit und der Notwendigkeit der Wende darstellt. Die Wende soll dabei eine Welt erzielen, in der „nur die Vögel erste Klasse fliegen“ also eine Welt ohne Ungleichheiten (zwischen zum Beispiel unterschiedlichen Berufsgruppen).

Das Projekt wird von Aneta Rostkowska, Direktorin der Temporary Gallery kuratiert.