CCA Temporary Gallery ist nicht nur eine Institution, sondern auch ein Netzwerk. In dieser Reihe wollen wir euch die Menschen vorstellen, die an unserer Arbeit beteiligt sind und die Realisierung unserer Projekte erst möglich machen.
Heute stellen wir euch Lisa Klosterkötter vor, Interim künstlerische Leitung der CCA Temporary Gallery.
Interview: Paulina Seyfried
Juli 2024
Was sind drei Charakteristika, mit denen du dich selbst beschreiben würdest?
Multitasking, achtsam, fröhlich.
Was sind Fragen, die dich gerade umtreiben?
Ich frage mich momentan wie sich die Aufgabe von Kurator*innen in den kommenden Jahren ändern und entwickeln wird, denn aufgrund der globalen Krisen, die uns umgeben, wird sich die Kulturlandschaft stark wandeln. Ich frage mich, wo es hingehen soll, wie die Kunstschaffenden der Zukunft arbeiten können und wo ich meinen Platz sehe. Ich begreife dies gerade als Herausforderung und als Chance, meinen Beruf und mein künstlerisches Umfeld nochmal von Grund auf neu zu denken, habe jedoch auch großen Respekt davor.
Ich schaue mit Besorgnis auf die Entwicklungen in der Kulturpolitik u.a. im Hinblick auf budgetäre Kürzungen, besonders für die freie Szene, die mir explizit am Herzen liegt. Gleichzeitig möchte ich auch positiv bleiben und mit allen Mitteln versuchen, weiterhin zu einer lebendigen Szene in u.a. NRW beizutragen. Ich bin skeptisch, beobachte, dass Aspekte wie faire Bezahlung sich im Kunstfeld momentan als rückschrittig erweisen. Gleichzeitig sehe ich auch, dass wichtige Themen wie Zugänglichkeit, Teilhabe und institutionelle Öffnungsprozesse mehr verstanden und unterstützt werden, das ist toll und um dies weiter voranzutreiben, möchte ich mich zukünftig noch gezielter in meiner Arbeit einsetzen.
Wie hast du die Temporary Gallery kennengelernt?
Die Temporary Gallery kenne ich seit ihrer Gründung 2012. Damals hatte ich gerade mein Studium der bildenden Kunst an der HFBK in Hamburg begonnen und war nur ab und zu in Köln.
Was ist deine Rolle in der Temporary Gallery?
Ich bin derzeit als Elternzeitvertretung von Aneta Rostkowska als künstlerische Leitung für die TG tätig. Gemeinsam mit Gitte Moll, die die Interim Geschäftsleitung übernommen hat, werde ich ein Jahr das Programm der TG betreuen.
Davor habe ich bereits einige Projekte für die TG umgesetzt, u.a. die prozesshafte und partizipative Ausstellung “Blue Binding Ribbon”, die bis Juni 2024 lief und von Aneta Rostkowska und mir gemeinsam kuratiert wurde. Das Projekt thematisierte die kollektiven Aspekte von textiler Handarbeit in der zeitgenössischen Kunst und zeigte viele spannende Arbeiten von lokalen und internationalen Positionen. Ein wichtiger Teil des Projektes war die stetige gemeinsame Arbeit vor Ort in kollektiven Zusammenschlüssen. Wir haben uns ein bis zwei Mal die Woche getroffen und gemeinsam an texilen Projekten gearbeitet, uns gegenseitig Techniken beigebracht und ausgetauscht. Darüber hinaus haben teilnehmende Künstler*innen Workshops ausgerichtet, es gab offene Werkstätten und Handarbeitsgruppen, Kollaborationen mit lokalen Initiativen und Einrichtungen. Der Bühnenbildner Jakob Engel hatte ein Ausstellungsdesign für den Raum entwickelt, in dem auch eine Kantine mit Gemeinschaftstisch integriert war. Wir haben dort regelmäßig zusammen gekocht und gegessen. Es war großartig zu merken, wie der Ausstellungsraum jede Woche von bekannten, aber auch zunehmend neuen Gesichtern belebt und genutzt wurde und zum Gemeinschaftsraum, Arbeitsort und zu einer Schnittstelle für bestimmte Interessen und Bedarfe wurde.
Wie ist es für dich, für die Temporary Gallery zu arbeiten? Was magst du an dem Job?
Die TG ist für mich ein Ort, an dem Konzepte des Ausstellungsmachens immer wieder aufs Neue zu allen Seiten ausgelotet, ausgedehnt und innovativ gestaltet werden. Sie hat ein starkes, eigensinniges Profil und wird gleichzeitig immer wieder neu gedacht. Es gibt Konstanten und Verbindlichkeiten wie die Verhandlung relevanter Themen und die Umsetzung bestimmter fortlaufender Formate wie u.a. das Jugendprogramm das Paloma Nana leitet, das Residenz-Programm und viele Kooperationen, ebenso wie Baustellen und Bestrebungen, die in partizipativen, offenen Prozessen angegangen werden. Ich bin sehr froh, seit einer Weile mit der TG zusammenarbeiten zu können und nun als Interim Leitung das Programm inhaltlich zu gestalten.
Wie sieht dein nächstes Projekt für die Temporary Gallery aus?
Ich werde die TG nun ein Jahr bis Sommer 2025 begleiten, auch die Projekte, die ich nicht von Null an mit geplant habe. Es ist sehr spannend, auch die kuratorische Arbeit anderer Kulturschaffender, wie von dem Kuratorinnen-Duo Sour Grass, oder der Kuratorin Nada Schroer aus unmittelbarer Nähe mitzuerleben und unterstützen zu können.
Am 20. August werde ich gemeinsam mit der Künstlerin und Köchin Paula Erstmann, mit der ich eine langjährige enge Kollaboration pflege, unser im Sommer 2023 gestartetes Format "Temporary Kitchen” weiterführen. Mit der mobilen Küche der TG, die im Rahmen der von Aneta Rostkowska und Agustina Andreoletti kuratierten Ausstellung “Cooking as Performance” entstanden ist, kochen wir im öffentlichen Raum des Mauritiusviertels, auf Plätzen, in Parks und auf dem lokalen Wochenmarkt für die und mit der Nachbar*innenschaft der TG. Mit dem Publikum haben wir auch kulinarische Erkundungs- und Einkaufstouren durch das Viertel hin zu den verschiedenen, internationalen Gastronomien und Lebensmittelgeschäften in den umliegenden Straßen unternommen, deren Betreiber*innen wir mittlerweile persönlich kennen.
Für 2025 habe ich natürlich einige Pläne, für die ich derzeit Anträge schreibe.
In den letzten Jahren habe ich viele mehrteilige, temporäre Formate im öffentlichen oder nicht-institutionellen Raum umgesetzt wie u.a. “Über Brücken - Bridging” (Köln 2022 - 2024), und “Gegenwart” (Hamburg 2020 & 2021) beides zusammen mit der Kuratorin Elena Malzew, “DOLLHOUSES” (Hamburg 2021, Köln 2023) gemeinsam mit der Künstlerin Signe Raunkjaer Holm und “Bedarfsgemeinschaft”, ein neues soziokulturelles Format in verschiedenen Ruhrgebietsstädten, co-initiiert mit Paulina Seyfried und Paula Erstmann. Das Kernanliegen meiner Arbeit ist das unmittelbare, immersive und aktivierende Erleben von Kunst und Gemeinschaft in den Fokus zu rücken. Diese Aspekte werden auch in meinen Projekten in der TG eine wichtige Rolle spielen.
Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Ich möchte sehr gerne weiterhin versuchen, als Kuratorin offene Räume für Kultur und Gemeinschaft zu unterstützen, zu etablieren und kollaborativ zu gestalten. Ich habe viele Ideen, große und kleine Pläne für meine berufliche Zukunft, mal sehe was sich davon realisieren lässt und wo zu dem Zeitpunkt dann die Bedarfe in meinem Umfeld liegen, an denen ich mich gerne orientieren möchte.
Und privat: In 5 Jahren sind meine zwei Kinder beinahe Teenager, mal sehen, was das Leben dann für Herausforderungen und neue Spielräume mit sich bringt. 🙂
Foto:
Paula Erstmann