THE SITE IS HALF THE WORK - URBAN CURATING AFTER THE PLANETARY TURN
Vortrag von Gilly Karjevsky
Mi 13 März, 18 Uhr
Das Planetarische stellt eine besondere Herausforderung für städtische Kuratoren dar, nämlich die Frage, wie man sich um Standorte kümmert und sie aus einer kosmo-lokalen Perspektive kuratiert. Wie können Fragen des Maßstabs, der Geopolitik und der regionalen Umweltprobleme angegangen werden, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten? Earthcare und das Programm der Instandhaltung können einige Möglichkeiten für das Bewohnen, Beobachten und Kuratieren von Stätten bieten, wobei es zu einer gegenseitigen Befruchtung zwischen den Stätten und den Menschen, die sie pflegen, kommt. Der Vortrag wird sich auf Programme beziehen, die aus ihrem unmittelbaren Umfeld entstanden sind: Jardin Essentiel — ein öffentlicher Garten in Brüssel mit über 30 Sorten von Heil- und Gewürzkräutern, in dem 2016 zwei Monate lang experimentelles Design und künstlerische Interventionen stattfanden, und climate care - ein Festival für Theorie und Praxis, das an der Floating University Berlin (2019-2023) beheimatet ist. Diese Projekte fordern uns auf, zu überprüfen, wie wir uns nach der planetarischen Wende um Orte kümmern und welche ästhetischen Sensibilitäten und phantasievollen politischen Aktionen wir durch solche kuratorischen Ansätze einüben können.
Gilly Karjevsky ist Stadtkuratorin und lebt in Berlin. Ihre aktuelle Forschung befasst sich mit kollektiver Autotheorie und Urban Curating nach der planetarischen Wende. Sie ist Gastprofessorin für Social Design an der HFBK in Hamburg 22-24, Curator in Residence am MArch at CSM in London und seit 2018 Gründungsmitglied von Floating e.V., wo sie das Climate Care Festival kuratiert – ein Festival für Theorie und Praxis auf einem naturkulturellen Lernort, das Residenzprogramm Urban Practice und einen partizipativen Lexikonprozess. Gilly ist Absolventin des Spatial Practices-Programms am Central Saint Martins in London und hat einen MFA in Narrative Environments. Sie hat auf diversen Plattformen veröffentlicht, zuletzt „Collective Auotheory“ in New Alphabet School #21 – Practices of Knowledge Production in Art, Activism and Collective Research , „Care for Cities“ in Expanding Academy Reader #3 und „Climate Care – A Curriculum for Urban Practice“ in Radicalising Care – Feministischer und queerer Aktivismus im Kuratieren.
Zur Zeit ist Gilly Karjevsky Gast des Residenzprogramms der Temporary Gallery.
Es wurde zu einem erklärten, wenn auch oft nur halbherzig verfolgten Ziel von Kultureinrichtungen, ihre eigenen Strukturen im Hinblick auf Diversität zu hinterfragen und zu erneuern. Diversität darf aber nicht nur ein zeitlich begrenztes Programm oder eine hippe Agenda sein, sondern muss tiefer greifen. Die Frage darf nicht nur lauten, wer Zugang zu kultureller Bildung und ihren Einrichtungen erhält, sondern wer überhaupt in der Lage ist, kulturelle und/oder kreative Arbeit als Berufsperspektive in Betracht zu ziehen.
Obwohl die sog. „Art brut“ – Kunst von Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung – sehr etabliert und hochgeschätzt ist, sind „Art brut"- Künstler*innen und ihre Kunstwerke aus der üblichen Kunstszene ausgeschlossen: „Art brut“ funktioniert als ein gesonderter Bereich der Kunstwelt mit eigenen Ausstellungen, an denen nur „Art brut“-Künstler*innen teilnehmen. Als Konsequenz treffen sich diese sehr selten mit Künstler*innen ohne Behinderung zusammen. Obwohl die Intention hinter „Art brut“-Ausstellungen sicherlich positiv und unterstützenswert ist, findet hier doch keine echte Inklusion statt – die Kunstwerke werden in separaten Ausstellungen „isoliert“, anstatt dass sie in Ausstellungen von Künstlern ohne Erkrankung oder Behinderung einbezogen werden. Um sich mit diesem Problem langfristig auseinandersetzen, initiierte die Temporary Gallery. Zentrum für zeitgenössische Kunst in Köln, ein Projekt, das auf Empowerment und Inklusion auf tieferem Niveau setzt: ein Residenzprogramm für Kulturschaffende mit dem Hauptziel: der Ausgrenzung sog. „Outsider Art“ langfristig entgegen zu wirken.
Das Ziel des Programms ist, mehrere internationale Kulturschaffende nach Köln einzuladen. Die Gäste besuchen Partnerinstitutionen und treffen Künstler*innen in ihren Ateliers . Zudem werden individuelle „Feedback-Sessions“ angeboten , Gespräche von etwa 1-2 Stunden Dauer, zu denen sich Kulturschaffende anmelden können. In einer Veranstaltung in der Temporary Gallery stellen die Residenten auch Ihre Arbeit vor.
Das Projekt haben wir im Jahr 2023 – dank der Unterstützung der Bezirksregierung Köln – erfolgreich getestet, mit dem Kunsthaus KAT18 als Partnerinstitution. Wir haben das Kollektiv Sour Grass aus Barbados, Hubert Gromny aus Berlin und Luiza Proença aus Rio de Janeiro in Koeln zu Gast gehabt. Im Jahr 2024 wird das Projekt dank der Unterstützung der Stadt Köln (Förderprogramm: "Kultur - Diversity") fortgesetzt und um neue Partnerinstitutionen erweitert.
Wir hoffen, dass das Projekt langfristig auch zur Stärkung der künstlerischen Szene in Köln beitragen wird. Denn eine bessere Vernetzung mit internationalen Kulturschaffenden erweitert die Möglichkeiten der in der Stadt ansässigen Künstler*innen, an Ausstellungen außerhalb Kölns teilzunehmen.
Bilder:
Climate Care Festival 2023 - Krittercratia. Photo: Mor Arkadir